Gerald Stourzh: "Die moderne Isonomie. Menschenrechtsschutz und demokratische Teilhabe als Gleichberechtigungsordnung"

Gerald Stourzh: „Die moderne Isonomie. Menschenrechtsschutz und demokratische Teilhabe als Gleichberechtigungsordnung“, Wien/Berlin/Weimar 2015, Böhlau Verlag, 182 Seiten, 35 Euro, ISBN 978-3-205-20095-6.

Das Buch zeigt die enge Verknüpfung von Demokratie und Rechtsgleichheit in ihrer ideengeschichtlichen und politischen Entwicklung

von Neelke Wagner

Was heißt Isonomie? Der Wiener Historiker Gerald Stourzh übersetzt den Begriff mit „Gleichberechtigungsordnung“. Isonomie bezeichnete in der griechischen Antike die rechtliche und politische Gleich­heit der Bürger – in der heutigen Zeit spielt der Begriff keine Rolle mehr. Zu Unrecht, findet Stourzh. Mit seinem Essay „Die moderne Isonomie“ wirbt er dafür, „Isonomie“ statt „Demokratie“ zu verwenden, um das idealtypische politische System von heute zu bezeichnen. Denn anders als die Demokratie, deren Wortsinn auf ein Denken in Kategorien von Macht und Herrschaft verweist, sei die Isonomie „näher dem Recht und damit auch den (gleichen) Rechten der einzelnen Menschen zugewandt“ (148). Sie führe die „beiden miteinander verschränkten Legitimationssäulen politischer Herrschaft, Demokratie und Menschenrechte“ (Habermas) zusammen und biete die Gelegenheit, „die Diskussion um Grundfragen unseres Zusammenlebens neu zu beleben und zu profilieren“ (149).

Stourzh stützt seine Argumentation auf einen großen historischen Bogen, der vom antiken Griechenland über das mittelalterliche Europa bis in die Gründungszeit der USA und schließlich die heutigen Demokratien reicht. Er zeigt, wie die zunächst elitäre, auf einen kleinen Kreis freier Bürger beschränkte Demokratie auf größere Staaten und immer größere Bevölkerungsteile ausgedehnt werden konnte.

Dabei kam die Idee der politischen Gleichheit aller Menschen in der europäischen Geschichte erst spät zur Geltung. Obwohl das Christentum ursprünglich eine radikale Gleichheit aller Menschen vor Gott postulierte, konnte sich auf seiner Basis eine hierarchische Weltordnung etablieren, die allen Menschen je nach Geburt einen festen Platz im Herrschaftsgefüge zuwies. Diese „Kette vom Bauern bis zum König“ wurde zwar von den Unterdrückten immer wieder angegriffen, philosophisch und mit Waffengewalt, doch erst im 18. Jahrhundert trat die Idee, „alle Menschen seien frei geboren und an Rechten gleich“ jene politischen Umwälzungen los, die zunächst in den USA und dann in Europa, Lateinamerika, Afrika und Asien die Demokratie brachten.

Abschließend stellt Stourzh sechs Komponenten vor, aus denen sich die Moderne Isonomie entwickelt hat: die allgemeine Rechtsfähigkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz, allgemeine Grundrechte, die verfassungsrechtliche Durchsetzung dieser Grundrechte, die Internationalisierung von Grund- und Menschenrechten und schließlich die politische Mit- und Selbstbestimmung: die Demokratie mit dem freien, allgemeinen, gleichen, geheimen und periodischen Stimmrecht für alle (erwachsenen) Bürger/innen. Stourzh nennt sie bewusst am Ende seiner Liste: „Die ,Gleichwertigkeit‘ aller Menschen, zumindest aller Bürger, im allgemeinen Stimmrecht konnte doch erst am Schlusspunkt einer Entwicklung stehen, in der sich das Wahl- und Stimmrecht […] vom gleichen Männerwahlrecht […] zum allgemeinen, gleichen, geheimen, periodischen Stimmrecht der sehr großen Mehrzahl aller Bürgerinnen und Bürger gewandelt hat“ (131f).

Stourzh hat mit „Die moderne Isonomie“ eine kenntnisreiche Reise durch die politische (Ideen-)Geschichte vorgelegt, die viel zum Verständnis dessen beiträgt, was wir heute als Demokratie und Rechtsstaat bezeichnen. Nicht immer leicht zu lesen, bietet das Buch dennoch all jenen wertvolle Denkanstöße, die die heutige Demokratie weiter entwickeln wollen.

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