Frank Meerkamp:
„Die Quorenfrage im Volksgesetzgebungsverfahren“

Frank Meerkamp: „Die Quorenfrage im Volksgesetzgebungsverfahren. Bedeutung und Entwicklung“, Wiesbaden 2011, VS Verlag für Sozialwissenschaften (Bürgergesellschaft und Demokratie 36), 596 Seiten, 39,95 Euro.

Rezension von Nico Nissen

Der Volksentscheid, in dem die Bürger/innen Berlins über die Offenlegung der Wasserverträge abstimmten, macht deutlich, welche Auswirkungen Quoren auf Abstimmungen haben können: Wäre die Abstimmung am Quorum gescheitert, hätte eine kleine Minderheit von weniger als zwei Prozent den Sieg davongetragen. Die Forschung beschäftigt sich allerdings kaum mit diesem Problem. Diese Lücke füllt die Druckfassung der Dissertation von Frank Meerkamp mit dem etwas sperrigen, aber dafür eindeutigen Titel „Die Quorenfrage im Volksgesetzgebungsverfahren. Bedeutung und Entwicklung“.

Der Autor stellt darin fest, dass es bei der Frage nach direkter Demokratie in Deutschland längst nicht mehr um das "Ob", sondern vielmehr um das "Wie" geht: Direktdemokratische Verfahren gibt es in allen Bundesländern auf Kommunal- wie Landesebene, doch nur wenige sind tatsächlich anwendbar. Ursache dieser Problematik sind oft Mindeststimmzahlen in den einzelnen Verfahrensschritten, in erster Linie sind dies Zustimmungs- und Beteiligungsquoren. Meerkamp stellt fest, dass beide wesentlichen demokratischen Prinzipien widersprechen, Bürgerbeteiligung verhindern und das Abstimmungsergebnis verzerren.

Eingeführt wurden Quoren unter dem Vorwand, sie würden repräsentative Ergebnisse gewährleisten und die Bürger/innen vor organisierten Minderheiten schützen. Tatsächlich bewirken sie das Gegenteil: Weil Quoren nur für eine Seite gelten, werten sie Enthaltungen zu Gegenstimmen um. Beim sogenannten „unechten Scheitern“ einer Volksabstimmung wird mittels Quorum sogar die Minderheit zum Sieger erklärt. Mögen die Ja-Stimmen eine noch so große Mehrheit darstellen, gelten sie de facto weniger als die Nein-Stimmen, solange das Quorum nicht erreicht wurde. Das ist ein deutlicher Verstoß gegen demokratische Grundregeln wie Mehrheitsprinzip und Gleichheit der Stimme.

Was bei Wahlen als Abstimmungsbetrug verstanden würde, wird bei Volksentscheiden als notwendiges Übel dargestellt. Blickt man zudem auf die Wahlergebnisse, stellt man fest, dass viele Regierungskoalitionen der Länder die dort geltenden Quoren selbst nicht erfüllen. Für eine direktdemokratische Entscheidung des Volkes gelten also höhere Hürden als für seine Vertreter im Parlament. Das Leitmotiv der Demokratie, die Volkssouveränität, wird durch solche Quoren zur Floskel. Bei objektiver Betrachtung gibt es also nichts, was für ein Quorum im Volksentscheid spräche. Folgerichtig empfiehlt Meerkamp daher den vollständigen Verzicht auf die in Deutschland leider üblichen Quoren oder wenigstens deren Senkung.

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