Der Ampel-Koalitionsvertrag bietet für Mehr Demokratie eine gute Ausgangslage. Unser Demokratie-Check ergibt: In den nächsten Jahren könnten sich viele Türen öffnen – und zugleich werden wir viele Aufgabenfelder parallel zu beackern haben. Um das zu schaffen, organisiert Mehr Demokratie die inhaltlich-politische Arbeit noch stärker als bisher in Bereichen mit jeweils eigenen Verantwortlichen. Unsere Querschnittsbereiche wie Fundraising, Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und Geschäftsführung/Verwaltung bleiben natürlich bestehen. Hier stellen wir die inhaltlich-politischen Themenfelder vor und erklären, warum sich Mehr Demokratie damit befasst…

Mit den ersten von Mehr Demokratie angestoßenen oder eng begleiteten bundesweiten Bürgerräten haben wir so viel Wissen und Kontakte auf diesem Gebiet gesammelt wie kaum eine andere Organisation. Nun geht es darum, die im Koalitionsvertrag versprochene Etablierung von bundesweiten Bürgerräten zu begleiten – durch Gespräche mit Politik und Verwaltung, durch das Ausarbeiten von Qualitätsstandards gemeinsam mit anderen Institutionen, durch Beratung von Parlamenten, Regierungen, Initiativen und Interessierten und durch eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit.

Der Koalitionsvertrag setzt auf den Ausbau des Petitionsrechts. Gut so. Wir werden zudem darauf drängen, das Petitionsrecht zu einer Volksinitiative weiterzuentwickeln. Allerdings wird es hierfür vermutlich eine Grundgesetzänderung brauchen. Das heißt für uns, mehr Fraktionen als nur die der Regierungskoalition überzeugen zu müssen. Die direkte Demokratie halten wir unverzichtbar - für eine starke repräsentative Demokratie und für unser aller Selbst- und Mitbestimmungsrecht.

 

Die Zeichen stehen auf Wahlrechtsreform und wir sind 2022 dazu direkt mit einem von 94.000 Menschen mitgetragenen Aufruf an das Bundestagspräsidium gestartet. Mit Gesprächen und konkreten Vorschlägen, wie ein besseres Wahlrecht funktionieren kann, wird Mehr Demokratie die Wiedereinsetzung der Wahlrechtskommission begleiten.

Undemokratisch ausgestaltete Handelsverträge wie TTIP, CETA und Co entziehen viele Bereiche unseres täglichen Lebens der demokratischen Kontrolle. Investitionsschutzklauseln bieten ein Einfallstor für konzernfreundliche Paralleljustiz. Mehr Demokratie ist deshalb Teil des Netzwerks Gerechter Welthandel und setzt sich für demokratische Handelsverträge ein. Wir haben dazu mehrere Verfassungsbeschwerden gestartet, die gegen CETA und das EU-Singapur-Abkommen sind noch offen.

Seit Jahren tritt Mehr Demokratie ein für eine demokratischere und bürgernähere EU. Nun bietet sich mit der Konferenz zur Zukunft Europas wieder eine Chance, unsere Impulse in die Diskussion einzubringen. Wir schlagen vor, dass ein europäischer Bürgerkonvent eine Verfassung für Europa ausarbeitet. Nur in einem Verfassungsprozess können wir grundsätzliche Konstruktionsfehler beheben und zusammen mit den Bürgerinnen und Bürger eine EU entwickeln, die sich an heutigen Herausforderungen und Bedürfnissen orientiert.

In dieser Legislaturperiode soll ein Bundestransparenzgesetz entstehen. Gut so! Mehr Demokratie hat zusammen mit Open Knowledge Foundation bereits das zweite bundesweite Transparenzranking veröffentlicht und durch Kampagnen in den Bundesländern Fachwissen gesammelt. Gemeinsam mit anderen Organisationen treten wir ein für ein umfassendes Lobbyregister und die Nachvollziehbarkeit von Lobbyeinflüssen bei der Gesetzgebung („legislativer Fußabdruck“).

Auch die parlamentarische Demokratie muss sich weiterentwickeln, denn die Gesetzgebungsprozesse sind oft langwierig und in der Sache unbefriedigend. Aus Sicht von Mehr Demokratie besitzen die Parlamente durch ihre Abgeordneten viel mehr Kompetenz als tatsächlich in die Lösungsfindungen einfließt. Neue Prozessstrukturen, sowie mehr Sachallianzen statt Machtkämpfe führen zu qualitativ besseren und umfassenderen Lösungen. Mehr miteinander statt gegeneinander lautet hier die Devise. In ihrem Buch „Die Demokratie braucht uns!“, zu dem sie bereits zahlreiche Interviews gegeben hat, skizziert Vorstandssprecherin Claudine Nierth Reformansätze.

Seit 2019 verbreitet Mehr Demokratie die Beteiligungsplattform Consul in Deutschland, berät dazu Kommunen und vernetzt diese untereinander. Mehr als 20 Kommunen nutzen Consul bereits, als Leuchtturm neuerdings auch München. Mehr Demokratie setzt auf die sinnvolle Verknüpfung von digitaler und analoger Beteiligung. Zugleich wollen wir die digitale Demokratie auf kommunaler Ebene stärken, wobei die Themen Open Source und Open Data eine wichtige Rolle spielen, und eigene Positionen zu digitaler Demokratie erarbeiten.

Seit Jahrzehnten ist Mehr Demokratie Ansprechpartner für Initiativen und Gemeinden in Sachen direkter Demokratie, seit rund drei Jahren häufen sich auch die Anfragen zu Beteiligungsverfahren und Bürgerräten. Mit dem neuen Arbeitsbereich schaffen wir eine Anlaufstelle für alle, die sich mehr Demokratie auf kommunaler Ebene wünschen, selbst aktiv werden und neue Formen des Mitbestimmens und Mitwirkens vor Ort erproben wollen. Dabei liegen Schwerpunkte auch auf der Zusammenarbeit mit Verwaltungen sowie auf breiter Vernetzung.

Eine hervorgehobene Rolle hat der Themenkomplex „Klima und Demokratie“. Die Klimakrise muss innerhalb der nächsten paar Jahre demokratisch bearbeitet werden, denn je weiter sie voranschreitet, desto kleiner werden die demokratischen Gestaltungsspielräume. Durch Beteiligungsverfahren zum Klimaschutz können in den Gemeinden zukunftsfähige Lösungen entwickelt, Spaltungen überwunden und die Demokratie gestärkt werden. Mit dem Handbuch Klimaschutz und „Die Klimadebatte“ hat Mehr Demokratie bereits wichtige Vorarbeit geleistet.

Mehr Demokratie hilft in diesem von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderten Projekt Städten und Gemeinden, passgenaue Beteiligungsformate zu entwickeln und durchzuführen. Ziel ist es, die Gemeinden zukunftsfähig zu machen. Bürgerräte mit zufällig ausgelosten Menschen stehen dabei im Zentrum. Als „Zukunftsräte“ beraten sie darüber, was es für eine enkeltaugliche Zukunft direkt vor Ort braucht. 2021 haben wir mit den ersten sechs Kommunen offiziell die Zusammenarbeit begonnen.

Mehr Demokratie erforscht Instrumente und Prozesse, die helfen, die Demokratie auch auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Unsere Projekte zielen darauf ab, Kommunikations- und Denkmuster, die demokratische Prozesse beeinflussen, sichtbar und benennbar zu machen.2020/21 haben wir beispielsweise mit politischen Erkundungsaufstellungen neue Erkenntnisse über psychologische Aspekte in der Demokratiediskussion gewonnen. Nun helfen wir einzelnen Initiativen, ihr Arbeitsfeld besser zu verstehen und neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. 2022 sind mehrere Gesprächs- und Austauschformate geplant, in denen auch Emotionen und Unterbewusstes, etwa zur Corona-Krise, ihren Platz finden.