Eike-Christian Hornig: „Mythos direkte Demokratie. Praxis und Potentiale in Zeiten des Populismus“

Eike-Christian Hornig: „Mythos direkte Demokratie. Praxis und Potentiale in Zeiten des Populismus“Leverkusen-Opladen 2017, Verlag Barbara Budrich, 169 Seiten. 19,90 Euro.

Mythos direkte Demokratie

Eike-Christian Hornig versucht den „Mythos“, den Rechtspopulist/innen um die direkte Demokratie spinnen, zu entzaubern und plädiert für obligatorische Referenden als Reformmotor.

Von Neelke Wagner

Obligatorische Referenden – für diese Form direkter Demokratie auf Bundesebene wirbt Eike-Christian Hornig. Wenn ein Gesetz blockiert wird, weil Bundestag und Bundesrat sich nicht einigen können, dann könnte das Volk als Schiedsrichter auftreten und über das strittige Gesetz abstimmen, lautet sein Vorschlag.

Eine solche Abstimmung würde aber weder von den Parlamenten noch von den Bürger/innen ausgelöst, sondern automatisch aufgrund bestimmter Mehrheitsverhältnisse. Je nachdem, wie knapp ein Gesetz scheitere, sei dies entweder ein Zeichen für eine Uneinigkeit der Parteien oder für einen grundlegenden Interessenkonflikt zwischen Bund und Ländern. Wenn ein Gesetz durch Parteienzwist verhindert wird, solle künftig nicht mehr der Vermittlungsausschuss angerufen werden, sondern das Volk direkt entscheiden.

Aber warum stellt der Autor diesem durchaus bedenkenswerten Vorschlag fast 60 Seiten voran, auf denen er wenig überzeugend versucht, die Volksgesetzgebung als populistisches Schreckgespenst darzustellen? Fast ein Drittel seines schmalen Büchleins widmet Hornig einer sehr persönlichen Interpretation der Argumente und Vorstellungen derjenigen, die Volksgesetzgebung fordern. Sie träumten von einer uneingeschränkten Volkssouveränität, die eine sachliche Politik fern von Einzelinteressen verwirkliche und verträten ein antipluralistisches Verständnis vom „Volk“.

„Das Volk soll [...] alles selbst entscheiden“, fasst Hornig diese Sichtweise zusammen. Hier sitzt er allerdings einem Mythos auf, nämlich dem, dass Verfechter von Volksabstimmungen ernsthaft die Parlamente abschaffen oder auch nur schwächen wollten. In gewisser Weise geht er hier der AfD auf den Leim. Und letztlich verwendet er selbst populistische Argumentationsmuster, wenn er in finsteren Farben die Wutbürger/innen zeichnet, die im Namen der „Volksgesetzgebung“ die repräsentative Demokratie mitsamt dem Rechtsstaat loswerden wollen.

Exemplarisch zeigt sich Hornigs Furor, wenn er der Formulierung „Direkte Demokratie kann helfen, den Einfluss von Lobbys zurückzudrängen“ unterstellt, sie sage in Wahrheit „Politische Parteien handeln irrational, weil sie Interessenpolitik und nicht ein gemeinsames Gutes verfolgen“. Hier erzeugt er selbst einen künstlichen Gegensatz zwischen direkter und repräsentativer Demokratie, der weder mit der Praxis noch mit jenen Forderungen etwas zu tun hat, die Mehr Demokratie, aber auch die meisten größeren Parteien zum Thema direkte Demokratie im Programm haben.

Die Forderung nach mehr direkter Demokratie, auch in Form von Volksabstimmungen, ist sehr viel älter und in viel breiteren Bevölkerungsteilen verankert als der Populismus der AfD. Das verkennt Hornig völlig. Nichtsdestotrotz ist die Idee, obligatorische Referenden mit Schiedsrichterfunktion einzuführen, recht charmant. Und so, wie der Autor seine Idee vorgestellt hat, könnte sie am Ende auch diejenigen überzeugen, die sich wie er vor Volksgesetzgebung eigentlich fürchten und sie für eine populistische Idee halten. Dann könnten solche obligatorischen Referenden ein guter Anfang sein, um direkte Demokratie auf Bundesebene zu verwirklichen.

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