Daniela Dahn:
„Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht genügt“

Daniela Dahn: „Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht
genügt“, Rowohlt, 2013, 176 Seiten, 16,95 Euro.

Rezension von Oliver Engelbrecht 

In ihrer aktuellen Veröffentlichung „Wir sind der Staat!“ kritisiert die Journalistin Daniela Dahn den Ausschluss vieler Bürger/innen von den zentralen politischen Entscheidungsprozessen. Die DDR-Oppositionelle und Mitbegründerin der Bürgerbewegung „Demokratischer Aufbruch“ stellt die These auf, dass „Volkssouveränität (…) von Anfang an eine staatserhaltende Fiktion“ (S. 22) gewesen sei. Sie fordert die Volksgesetzgebung und das imperative Mandat (bei dem der/die Abgeordnete verpflichtet ist, gemäß des Wählerwillens abzustimmen).

Die Bürger/innen sollten letztlich den Staat durch die Bildung von Räten übernehmen, um so eine Herrschaft des Volkes zu realisieren. Zur Untermauerung ihrer Argumentation nutzt sie vielfältige historische Beispiele. Das Hauptziel der Autorin ist die „Selbstverwaltung eines Gemeinwesens durch das Volk“ (S. 127). Dazu müsse zum einen die demokratische Bildung der Allgemeinheit verbessert werden, wofür sie einen flexiblen „Learning by doing“-Prozess vorschlägt. Ihr zweiter Kernpunkt ist die gesetzliche Regelung von Eigentumsverhältnissen. Dahn kritisiert, dass aktuell sämtlicher Besitz, auch der Staatsbesitz, juristisch als Privatbesitz klassifiziert werde. Aufgrund der daraus resultierenden Besitzlosigkeit vieler Menschen hätten diese keinen Einfluss auf die Politik, denn „wo kein Haben ist, da ist kein Sagen“ (S. 48).

In der von ihr entworfenen Gesellschaft wäre das Gemeineigentum den Bürger/innen durch ihre Beteiligung an den gesetzgebenden Räten direkt unterstellt. Diese Rätestruktur sei jedoch, neben einer vom Volk verabschiedeten gesamteuropäischen Verfassung und der damit einhergehenden Überwindung von Landesgrenzen, nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Herrschaft aller Menschen. Der Autorin gelingt es damit, zum Teil Jahrhunderte alte Ideen glaubhaft ins hier und jetzt zu transportieren. Die vorliegende Streitschrift will zum Nachdenken über alternative Formen des Zusammenlebens anspornen. Zu diesem Zweck stellt sie ein Gesellschaftssystem zur Diskussion, in dem die direkte Demokratie zu einer zentralen Form der politischen Entscheidungsfindung wird. Zwar wäre es wünschenswert gewesen, wenn Dahn die historischen Grundlagen zugunsten einer ausführlicheren Darstellung ihrer eigenen Ideen etwas eingeschränkt hätte. Davon abgesehen ist ihr mit dem vorliegenden Buch ein hervorragender Startpunkt für eine Diskussion über Alternativen zum Kapitalismus und zur parlamentarischen Demokratie gelungen.

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