Costa Vayenas: „Democracy in the Digital Age. How we´ll vote and what we´ll vote about.“

Costa Vayenas: „Democracy in the Digital Age. How we´ll vote and what we´ll vote about.“, Arena Books, Bury St. Edmunds, 121 Seiten, ISBN: 978-1-90942-99-8

Informationstechnologie ermöglicht und verstärkt Volksentscheide: „Democracy in the Digital Age“

von Frank Rehmet (Wissenschaftlicher Referent bei Mehr Demokratie)

Costa Vayenas, Investmentbanker und Lehrbeauftragter für Internationale Finanzen an der Universität Zürich, beschreibt in seinem Essay „Democracy in the Digital Age“ (Sprache: Englisch), wie sich der tiefgreifende Wandel der modernen Technologie auf die Demokratie auswirkt. Insbesondere geht er der Frage nach, wie sich die repräsentative Demokratie und die direkte Beteiligung der Bürger/innen an der Politik verändern werden. Vayenas´ Grundthese lautet: Moderne Informationstechnologie wird im politischen System zunehmend eine Rolle spielen und das klassische politische repräsentative System – das ohnehin schon Probleme hat – verändern. „The shift towards a more digital form of interaction between citizens and their government […] will propel us further in the direction of a greater use of information technology (IT) in the democratic process.“

Deshalb plädiert er für eine Mischung aus repräsentativer Demokratie und direktdemokratischen Verfahren. Er betont, dass die neuen Technologien der Informationsverbreitung eine Entwicklung ermöglichten und verstärkten, die ohnehin schon weltweit vorhanden sei: Den Trend hin zu mehr direkter Demokratie. 

In sieben Kapiteln schildert der Autor
mehrere Aspekte dieser Entwicklung:

In den Kapiteln 1 und 2 erläutert er, welche Länder schon Erfahrungen im Bereich elektronischer Wahlen gemacht haben, stellt Chancen und Risiken vor. Er fragt hier – wie auch in den folgenden Kapiteln –, was passieren würde, wenn die entsprechenden Technologien bereits sicher wären. Die Antwort: Neue individuelle Freiheiten würden eröffnet (etwa, wann und wo der Einzelne wählen kann). Und die Bürger/innen könnten leichter in die Themenfindung und Entscheidung über Sachthemen eingebunden werden. Dabei widerlegt er auch Argumente gegen diese neuen Freiheiten und gegen mehr Mitbestimmung, etwa, dass die Themen zu komplex seien.

In Kapitel 3 skizziert der Autor den Trend zu mehr Bürgerbeteiligung und zu mehr Volksabstimmungen weltweit. Er nennt viele Beispiele, wo überall schon über Sachfragen abgestimmt wird. Vayenas bezeichnet dies als „Evolution“ und Weiterentwicklung des rein repräsentativen Modells. Moderne IT-Technolgie sei dabei sehr hilfreich.

In Kapitel 4 behandelt er Probleme des rein repräsentativen Systems (Vertrauensverlust, Politikerverdrossenheit, mangelnder Respekt in Parlamenten, sinkende Mitgliederzahlen in Parteien). Die Politiker/innen seien zu oft in den Medien, sagten zu oft Irrelevantes und teilweise Unwahres. Im Zeitalter des Internets wird mehr öffentlich, transparenter und überprüfbarer, alles geschieht schneller („real-time information“), zudem sei mehr Wissen – auch über Gesetzgebungsprozesse – schneller abrufbar, so dass die Bürger/innen viel besser Bescheid wüssten. Als das repräsentative System erfunden wurde, lagen die Dinge noch ganz anders: Die Repräsentant/innen galten als die Wissenden/Wissenderen, denen man Politik anvertraute. Das Modell, wonach Berufspolitiker/innen automatisch die besseren Lösungen für politische Probleme fänden, erodiere weltweit.

Kapitel 5 widmet sich dem Thema Staatsausgaben und Steuern, die laut Vayenas selbstverständlich und gerade Gegenstand von Volksentscheiden sein sollten. Schließlich gingen Repräsentant/innen keineswegs gut und verantwortungsvoll mit Geld um, das zeige zum Beispiel die Entwicklung der Staatsausgaben und der Staatsverschuldung in den USA und in Griechenland. Bessere Chancen für solidere Staatsfinanzen sieht Vayenas dort, wo die Bürger/innen mehr zu entscheiden haben (und damit mehr Kontrolle, mehr Transparenz). Er schildert die Praxis in der Schweiz, wo Referenden und insbesondere Finanzreferenden auf Kantons- und Gemeindeebene eine sehr starke antizipative Wirkung auf die Parlamente hätten.

Kapitel 6 bietet einen Exkurs in die USA. Vayenas erläutert, warum man derzeit keine Pionierleistungen in Sachen (direkter) Demokratie von den USA erwarten sollte. Sie hätten ihre Vorreiter- und Vorbildrolle für andere Länder in den letzten zehn Jahren eingebüßt und hinkten in einigen Bereichen inzwischen hinterher: Wenig Frauen in Führungspositionen, Todesstrafe in vielen Staaten, exorbitante Staatsverschuldung, kein Vorbild bei der Pressefreiheit, sinkende Wettbewerbsfähigkeit,...

Im abschließenden Kapitel 7 beschreibt der Autor das aus seiner Sicht wünschenswerte Demokratie-„Hybridmodell“, die Mischform aus repräsentativer und direkter Demokratie. Dieses Modell „kombiniere größere Entscheidungsmacht der Bürger/innen mit Formen professioneller Repräsentation“ (combines greater decision-making power for the people with some form of professional representation, S. 74). Dieses Modell sei am Ehesten in der Schweiz verwirklicht, deren Geschichte und direktdemokratische Institutionen er zu Hilfe nimmt, um Argumente zu entkräften, die oft gegen Volksentscheide ins Feld geführt werden (S. 81 ff.).

Fazit und Bewertung

Ein interessantes und lesenswertes Buch! Vayenas hat ein fundiertes, gut begründetes Plädoyer für mehr Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie geschrieben. Seine Argumentationen sind schlüssig, sein Schreibstil flüssig. Das Buch hält trotz der begrenzten Seitenzahl (91 Seiten reiner Text) eine Fülle von Informationen bereit, präsentiert eigene Gedanken knapp und präzise, liefert Beispiele und Hintergründe und regt insgesamt zum Nachdenken an.

Nur zwei kleinere Kritikpunkte: Erstens sind mitunter Wiederholungen anzutreffen. Zweitens ist der Begriff „direkte Demokratie“ / „direktdemokratische Verfahren“ nicht eindeutig definiert und manchmal werden mehrere Verfahren von Online-Petitionen bis hin zu verbindlichen Volksentscheiden unter diesen Begriff gefasst. Dies sorgt mitunter für einen Mangel an Differenzierung und Präzision, die aber nicht wesentlich ins Gewicht fallen, zumal die direktdemokratischen Verfahren im Vorbild-Land Schweiz in Kapitel 7 klar benannt werden. 

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